Der perfekte Wodka

Nachdem wir hier schon den perfekten ETF für alle möglichen Weltregionen gesucht (und gefunden) haben, können wir uns langsam den wirklich wichtigen Fragen zuwenden: Was ist eigentlich der perfekte Wodka?

Ich weiss, was Sie jetzt denken, und Sie haben recht: Was hat das ganze mit Aktien, Börse und Finanzen zu tun? Nun, nicht viel, aber zumindest genug, dass sich die Macher des exzellenten amerikanischen Finanzpodcasts „Planet Money“ damit beschäftigt haben.

Zur Vorgeschichte muss man wissen, dass ich eigentlich eher Wein- und Biertrinker bin, und abgesehen von Gin&Tonic harten Alkoholika eher wenig abgewinnen kann. Whiskey oder Wodka gehören für mich eher in die Kategorie „Brennspiritus“: sicher ganz effektiv, um sich zu betrinken, aber kein Genuss. Bis mich dann mal ein Freund eines besseren belehren wollte und mir einen Grey Goose Vodka vorgesetzt hat. Und siehe da, der schmeckte gar nicht nach Feuerwasser, sondern erstaunlich mild und harmonisch. Gut, immer noch nicht so toll als dass ich jetzt abends vor dem Kamin statt Rotwein russischem Schnapps ins Glas schenke. Aber ich kann seitdem zumindest nachvollziehen, warum jemand 40 Euro für eine Flasche Grey Goose ausgibt, obwohl das mehr als das dreifache ist, als für eine Flasche Absolut Vodka fällig wird.

Nun sind die Podcaster von Planet Money genau dieser Frage nachgegangen: Ist ein Premium Wodka wie Grey Goose eigentlich sein Geld wert?

Wodka vom Reißbrett

Die Geschichte von Grey Goose ist aus marktwirtschaftlicher Sicht ein spannendes Lehrstück:

Grey Goose ist nämlich keine französische Traditionsmarke mit überliefertem Rezept normannischer Mönche aus dem 16. Jahrhundert, sondern ein den späten 90ern „am Reißbrett“ erfundenes Produkt eines amerikanischen Spiriuosenhändlers, der mit einer Jägermeister-Importlizenz in den USA reich geworden ist. Dieser Händler namens Sidney Frank hatte den schlichten Plan, einen Wodka zu erschaffen, den man doppelt so teuer verkaufen kann wie den bisherigen „Premium“-Marktführer in diesem Segment. Das ganze Drumherum, vom französischen Herstellungsort über den vom „Maitre de Chai“ entwickelten Produktionsverfahren bis hin zum von Kalksandstein in der Champagne gereinigten Wasser, war nur Mittel zum Zweck, den Wodka besonders exklusiv vermarkten zu können.

Herr Frank war mit der Strategie äußerst erfolgreich. Nicht nur gewann Grey Goose diverse „best-tasting-vodka“- Awards, sondern wurde zwischenzeitlich auch die meistverkaufte Premium-Wodkamarke in den USA.

Geschmacklos

Der Witz an der Geschichte ist allerdings, dass es bei Wodka prinzipbedingt gar keine relevanten Geschmacksunterschiede geben kann. Wodka zeichnet sich per Definition „durch seinen fast neutralen Geschmack“ aus (Wikipedia), und das Produktionsverfahren zielt genau darauf ab, Begleitaromen zu entfernen und ein farb- und geruchsloses geschmacksneutrales Destillat herzustellen. Insofern ist es eigentlich egal, ob der Stoff aus französischem Weizen, japanischem Reis oder deutschem Roggen destilliert wird. Ganz anders als bei Gin, bei dem durch die zugesetzten „Botanicals“ von fruchtig über kräuterig bis hin zu weihnachtlich-zimtig alles möglich ist und und jede Marke daher einen sehr individuellen wiedererkennbaren Charakter hat.

Bin ich also nur einem Marketing-Hype aufgesessen? Tut es der 8-Euro-Billig-Wodka aus dem Supermarkt genau so wie der teure französische Premium-Spirit? Lt. Planet Money ist das tatsächlich so: eine Laboranalyse ergab, dass der Billig-Wodka aus der Plastikflasche noch „reiner“ ist als die französische Exklusiv-Marke. Aber das Labor ist natürlich nur die halbe Wahrheit, entscheidend ist was am Gaumen ankommt. Nützt also alles nichts, eine Blindverkostung muss her, schließlich scheuen wir hier bei Teilzeitinvestor keine Kosten und Mühen, wenn es einen Erkenntnisgewinn für die Leser bringt.

Testanordnung

Zur Blindverkostung standen die folgenden Marken bereit:

  • Grey Goose Vodka, ca. 40 Eur für 0,7 l, 40% Vol
  • Arapow „Vodka de Luxe“, eine Eigenmarke vom Discounter Penny Markt, 6,99 Eur für 0,7 l, 40 % Vol
  • Wodka Gorbatschow, 1,99 EUR für 0,1 l (an der Kasse bei der Quengelware), 37,5% Vol

Alle drei Marken wurden bei Zimmertemperatur ohne Eiswürfel oder Mixer verkostet, in neutralen Gläsern. Damit das Ergebnis einigermaßen statistische Relevanz bekommt und nicht nur eine Einzelmeinung ist, haben sich drei erfahrene Testtrinker selbstlos für den Versuch zur Verfügung gestellt.

Ernüchternd

Die erste Testrunde verlief überraschend: Nicht nur konnte niemand den Premium Wodka herausschmecken, die Bewertung war bei allen drei Testtrinkern komplett uneinheitlich. Mal lag der eine Schnapps vorne, mal der andere, Grey Goose schaffte es aber maximal auf Platz zwei. Einen leichten Vorsprung in der Bewertung hatte erstaunlicherweise der günstigste Wodka im Trio, die Penny-Eigenmarke „Arapow“.

Eine zweite Testrunde bestätigte das Bild: Kein Wodka konnte sich klar absetzen, einen leichten Vorsprung behielt die Penny-Billigspirituose. Dass man es offensichtlich nicht herausschmecken kann, ob ein Produkt knapp sechsmal so teuer ist als das andere, ist schon erstaunlich.

Etwas ernüchtert von diesem niederschmetternden Ergebnis war die naheliegende Schlussfolgerung, das alle drei Testtrinker schlicht keine Ahnung haben und Brennspiritus nicht von einem Sancerre unterscheiden können. Um diese Erklärung auszuschließen, und das Ergebnis  in den Rang einer randomisierten Doppelblindstudie zu heben, gab es daher am Schluß nochmal die Gegenprobe mit einer anderen Getränkesorte: Ein No-Name Gin für deutlich unter 10 Euro pro Flasche, gegen den Premium Gin Bombay Sapphire für etwa 25 Euro.

Der Bombay gilt als hochwertiger, aber vergleichsweise neutraler Gin, lässt sich also nicht einfach durch intensiven Zimt- oder Zitrusgeschmack identifizieren. Und siehe da, dennoch konnten alle drei Testtrinker problemlos den teuren Bombay vom billigen Supermarktprodukt unterscheiden und den Premium-Gin herausschmecken. Und das selbst nach zwei kräftezehrenden Wodka-Trinkrunden. Und das, obwohl der Preisunterschied zwischen Billig- und Premiumprodukt hier eher klein war.

Erkenntnis

Es scheint also was dran zu sein: Bei Wodka liegt der wahrgenommene Geschmack vor allem am Marketing. Was lernen wir daraus? Nicht nur für Indexfonds, auch für Wodka gilt das Mantra des Finanzwesirs:

Kosten runter, diversivizieren, passiv statt aktiv.

Sprich: Lieber beim Discounter kaufen, nicht alles auf eine Marke setzen, und statt aktiv beworbener Premiummarken lieber auf passiv vermarktete Eigenmarken vom Discounter setzen.

8 Gedanken zu „Der perfekte Wodka“

  1. Starker Artikel, dessen Schlussfolgerung ich teile.

    Ähnlich ist es ja bei Bier. Zwar schmecken die Marken unterschiedlich, benutzen aber identische Zutaten.

    Letztens habe ich bei Aldi aus Spaß eine Dose Schultbräu oder so gekauft. Für 29 Cent.

    Und es ist echt nicht schlecht.

    Seitdem nehm ich regelmäßig ein paar Dosen mit.

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  2. Habe den Podcast auch gehört.
    Wenn ich recht verstanden habe, dann wurde im Labortest nur ein einziger Bestandteil analysiert, um die Wodkas in eine Reihenfolge zu bringen.

    Und gegen Ende wurde noch gesagt, dass es durchaus möglich sei, dass geringste Mengen (nicht schmeckbar) von manchen Bestandteilen des Wodkas bei einigen Menschen dazu führen können, dass sie die Sorte nicht vertragen und bei anderen Menschen aber ohne Auswirkung bleiben.

    Gewissermaßen also ein offenes Ende, wo sich jeder selbst ein Ergebnis mitnehmen kann 😉

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