Crowdinvesting: Nichts für mich

Der Privatanleger tut es. Chris von Geldexperimente macht es. Und die auch Medien sind voll vom neuen Trendthema für Privatanleger: Crowdinvesting.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Hier geht es nicht um Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter, bei denen Fans z.B. die Produktion von Computerspielen vorfinanzieren oder die Entwicklung einer Kombination aus Haustier und Stifteköcher (wtf?) unterstützen. Während man bei diesem Crowdfunding als Belohnung nur als erster die fertigen Produkte erhält oder eine handsignierte Sonderedition bekommt, ist man mit Crowdinvesting tatsächlich an den Firmen beteiligt und partizipiert idealerweise am finanziellen Erfolg des Startups. Im schlimmsten Fall ist das Geld komplett weg, weil die Firma pleite geht. Im besten Fall hat man in das neue Google investiert und aus 100 EUR Einsatz seinen Lebensabend gesichert.

Einmal Jochen Schweizer sein…

Die Idee ist bestechend: Über Online-Plattformen wie Companisto, Conda oder Seedmatch kann man sich auch als Kleinanleger an erfolgversprechenden Startups beteiligen, und so gleich von Beginn an dabei sein, wenn das nächste Zalando oder Facebook entsteht. Das ist potentiell natürlich viel lukrativer als in langweilige MSCI World Indexfonds zu investieren. Und klingt dabei sogar ganz unterhaltsam: Man kann sich wie ein kleiner Jochen Schweizer fühlen, wenn man durch die Präsentationen der hoffnungsvollen Startups klickt und dann den Daumen hebt oder senkt für seine persönliche Investitionsentscheidung. Damit das ganze nicht zu risikoreich wird, kann man sein Investment auch gleich über viele Projekte streuen, um nicht alle Eier in einen Korb zu legen.

Klingt zu schön um wahr zu sein? Ist es vermutlich auch. Zum einen: Wo viel Chance, da viel Risiko. Die Ausfallquote ist hoch, und damit die Möglichkeit eines Totalverlustes des eingesetzten Kapitals. Hier kann man zwar mit breiter Streuung auf verschiedene Projekte gegensteuern, aber wenn man dann tatsächlich mal in eine Perle investiert hat, die das eingesetzte Kapital vermehrt, muss dieser Gewinn erstmal die ganzen Verluste ausgleichen, die mit den anderen Projekten eingefahren worden sind.  Genaue Zahlen gibt es nicht, aber die Schätzungen zur mittelfristigen Ausfallquote von Crowdinvestments reichen von 30 bis 70 Prozent.

Als nächstes: Das Steuerthema. Wenn man wie ich möglichst ganz um eine Anlage KAP herumkommen will und nur in steuereinfache ETF anlegt, ist die Versteuerung von Gewinnen aus Crowdinvesting nicht ganz so trivial. Im Prinzip sollte hier zwar auch alles über die Abgeltungssteuer laufen, aber so ganz festlegen wollen sich die Anbieter da nicht. Oder, wie es Seedmatch so schön schreibt: „Wenn sie weiterführende Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Steuerberater, durch Seedmatch erfolgt keine Steuerberatung“. Sprich: Um den Steuerkram kümmern Sie sich mal bitteschön selber.

… oder doch eher Eduardo Saverin?

Für mich das schlagendste Argument gegen Crowdfunding ist aber die Frage, was denn eigentlich passiert wenn ich tatsächlich das nächste Google entdeckt habe. Das Risiko von Totalverlusten gehe ich ja gerne ein, wenn ich auf der anderen Seite die Chance habe, das wirklich ganz große Los zu ziehen. Ist beim Lottospielen ja auch nicht anders. Und wenn aus meinem Investment von 1.000 EUR eine Million wird, ist mir das Steuerthema auch grad egal, die paar Euro für den Steuerberater hätte ich dann auch noch übrig.

Kritisch sehe ich eher die Frage, ob ich denn wirklich auch am Erfolg meines Investments partizipieren kann, wenn das so richtig durch die Decke geht. Bei einigen Plattformen sind die Crowdinvestoren gar nicht direkt am Unternehmen beteiligt, sondern investieren über komplexe Beteiligungsinstrumente. Und selbst wenn die Beteiligung wasserdicht ist, werden Altinvestoren gerne mal rausgedrängt und mit Minirenditen abgespeist, wenn professionelle Investoren einsteigen und das Startup sich zum Millionenseller entwickelt. Im Film The Social Network ist sehr plastisch dargestellt worden, wie so etwas ablaufen kann: Eduardo Saverin, einer der Mitgründer von Facebook und erster CFO, wurde bei einer späteren Finanzierungsrunde, bei der Facebook zum gigantischen Geschäft wurde, praktisch ausgebootet  [ok, beim anschließenden Vergleich bekam er dann doch noch ein paar Aktien, die mittlerweile mehrere Milliarden US Dollar wert sind, so richtig bemitleiden muss man Herrn Saverin also nicht].

Dass solche Gefahren nicht nur im Spielfilm existieren sondern auch bei alltäglichen Crowdinvestments, hat die Zeitschrift Capital an einem deutschen Beispiel aufgezeigt: Beim Startup Cashboard, das maßgeblich von Crowdinvestoren angeschoben worden ist, gab es mit dem Einstieg von potenteren Geldgebern einen „buyout“ für die Crowdinvestoren, der den Erstanlegern zwar eine positive Rendite brachte, sie aber von der weiteren deutlich lukrativeren Geschäftsentwicklung abgeschnitten hat.

Lose nur bei Lotto

Insofern ist Lottospielen dann vielleicht doch die sinnvollere Alternative zum Crowdinvesting: Der Millionengewinn ist hier zwar noch viel unwahrscheinlicher. Aber wenn ich denn mal sechs Richtige habe, kann mich niemand mit ein paar hundert Euro aus dem Gewinnschein rauskaufen.

3 Gedanken zu „Crowdinvesting: Nichts für mich“

  1. Die Form der Finanzierung ist auch ein wesentlicher Grund warum das für mich nicht interessant ist. Das Darlehensprinzip mit seiner asymetrischen Risikostruktur (eventuelle Gewinne nur auf einen Zins begrenzt, aber eventuelle Verluste bis zum Totalausfall), da fallen doch nur stupid retail Anleger rein (wie gesagt, sich mal wie Jochen Schweizer fühlen), während echte Profi-VCs auch lieber in echte Unternehmensanteile investieren.

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  2. Echte Anteile kann man problemlos auch beim Crowdfunding bekommen, wenn man einfach auf entsprechenden Plattformen z.B. im UK investiert. Es gibt sogar Plattformen, wo man gemeinsam mit Business Angels bzw. Profianlegern zu deren Konditionen agieren kann.

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    • Das wäre von den Voraussetzungen her sicher besser als irgendwelche Nachrangkonstrukte. Bleibt die Gefahr, dass auch die echten Anteile bei einer zukünftigen Finanzierungsrunde so stark verwässert werden, dass man nicht mehr am eigentlichen Erfolg des Unternehmens teilnimmt (siehe mein Facebook Beispiel). Wie real diese Gefahr ist kann ich nicht beurteilen, aber ich vermute, wenn es um Millionen geht, gibt es immer Mittel und Wege, unliebsame Amateur-Investoren zu entsorgen.

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