Neues Girokonto – und dazu das „modernste Europas“: Number26

Fintechs, also Startup-Unternehmen aus der Finanzbranche, sind im Moment schwer angesagt. Eines der am meisten gehypten Startups ist derzeit Number26, spätestens seit Paypal Gründer Peter Thiel eingestiegen ist. Number26 wirbt damit, „Europas modernstes Girokonto“ anzubieten. Bei so einem vollmundigen Versprechen kann ich natürlich nicht nein sagen und muss das ganze dringend ausprobieren.

Bank Run

An ein solches Konto der Zukunft zu kommen ist im Moment gar nicht so einfach, da Number26 nur Schritt für Schritt neue Kunden aufnimmt und die Nachfrage deutlich größer ist. Man kann sich auf eine Warteliste setzen lassen, die ihren Namen durchaus verdient – angeblich beträgt die Wartezeit derzeit über sieben Wochen. Um den Hype noch weiter anzuheizen, kann man seinen Wartelistenplatz verbessern, indem man Freunde wirbt, sich ebenfalls auf die Warteliste setzen zu lassen. Eine komfortable Situation: Die Konkurrenz schmeisst mit Neukundenprämien von 100 EUR und mehr um sich, bei Number26 drängen sich die Kunden freiwillig vor dem Türsteher. Netterweise hat Chris vom Geldexperimente-Blog mit einem Invite das ganze für mich beschleunigt.

Modern ist schlicht

Das aktuelle Angebot ist sehr überschaubar: es gibt ein Girokonto und eine Mastercard. Beides komplett kostenlos, bei der Mastercard sogar inklusive Zahlungen im Ausland, was ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal ist. Dafür gibts auf die Karte keinen Kredit: das Girokonto muss immer den erforderlichen Betrag aufweisen, bevor man eine Kartenzahlung machen kann.  Da man also statt Dispo hier immer ein (unverzinstes) Guthaben vorhalten muss, klingt das erstmal nach einem schlechten Geschäft. Allerdings gibt es woanders auch nur noch Tagesgeldzinsen im Promillebereich, da hält sich der Zinsverlust in Grenzen. Andere Produkte wie Tagesgeld, Festgeld, Depots oder Kredite gibt es (noch) nicht. Geld will Number26 wohl vor allem mit den Provisionen auf die Kreditkartenzahlungen verdienen. Ob das langfristig ausreichend Marge bringt um die Kosten zu decken, wage ich mal zu bezweifeln, denn alleine der kostenlose weltweite Bargeldbezug wird für Number26 nicht billig. Aber als Startup muss man im Moment auch noch keine schwarzen Zahlen schreiben sondern kann erstmal lustig Wagniskapital verbrennen.

Nett verpackt

Website und App sind sehr schick gemacht, offensichtlich stark inspiriert vom  Uber-Style. Nicht nur optisch sondern auch funktional ist alles auf der Höhe der Zeit. Was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass das Number26 Team sich auf das Web- und App-Frontend konzentriert. Das ganze Banking Backend wird von der Firma Wirecard zur Verfügung gestellt. Wirecard hat die notwendige Banklizenz und ist bislang vor allem als Zahlungsdienstleister für E-Commerce Shops bekannt. Beruhigenderweise gehört Wirecard auch der Einlagensicherung des Bundesverbandes deutscher Banken an, so dass man sein Geld nicht ganz ohne Netz und doppelten Boden einem wilden Startup anvertrauen muss.

Modern Talking

Number26 wirbt damit, dass man ein Girokonto innerhalb von 8 Minuten eröffnen kann, inklusive rechtlich vorgeschriebener sicherer Identifizierung. Damit das klappt nutzt Number26 nicht das bekannte Postident, bei dem man mit einem Ausdruck der Kontounterlagen zur nächsten Postfiliale tigern muss, sondern ein Online-Authentifizierungsverfahren von IDnow: Man spricht per Videochat mit einem Callcenter-Mitarbeiter, der allerlei Fotos und Abfragen macht, um sicherzustellen, dass man selbst auch man selbst ist. Das geht entweder am PC mit Webcam und Browser, oder per Smartphone über eine eigene IDnow App. Vom Prinzip her ganz pfiffig, in der Praxis doch ziemlich hakelig. Am PC hat das ganze bei zwei Anläufen nicht geklappt, trotz HD-Webcam und DSL-Verbindung war das Videosignal angeblich zu schlecht. Mit dem Smartphone und der App ging es dann halbweg rund. Allerdings ist es wohl nicht jedermanns Sache, erstmal in Bild- und Tonaufnahmen von sich selbst einzuwilligen, die wer-weiss-wie lange gespeichert werden, seinen Ausweis in die Kamera zu halten, der dann abfotografiert wird, und das ganze vermutlich nur so mittel verschlüsselt über das Internet zu übertragen. Der ganze Prozess schreit danach, dass man irgendwann mal Schlagzeilen über Sicherheitslücken und Identity Theft lesen wird. Dennoch, wenns denn mal funktioniert ist das schon ganz nett, die Identifizierung einfach vom Sofa aus in ein paar Minuten zu machen statt in der Schlange am Postamt.

Etwas länger als acht Minuten dauert es dann allerdings, bis man das Konto richtig nutzen kann, denn die in stylischem halbtransparent gehaltene Mastercard kommt, ganz traditionell per Post.

Beam me cash, Scotty

Bei Number26 dreht sich alles um die App. Man erhält „in Echtzeit“ eine Information über erfolgte Kreditkartenzahlungen, um damit zum Beispiel eine missbräuchliche Abbuchung sofort sehen zu können. Das klappt soweit auch ganz gut. Kaum hat man online irgendwas bezahlt, oder von jemandem Geld überwiesen bekommen, poppt auch schon eine Benachrichtigung über die App auf. Und man kann per „Money Beam“ direkt Geld an Freunde schicken. Allerdings greift Number26 für dieses Feature mal eben auf das komplette Adressbuch zu, um abzugleichen, welche Freunde und Bekannten auch schon bei Number26 sind (so wie z.B. Whatsapp das auch macht). Scheinbar lässt sich dieser Adressbuch-Scan auch nicht deaktivieren, was man schon ein wenig übergriffig finden kann.

Sicher ist sicher

Ich habe bislang sehr bewußt einen Bogen um Online-Banking per Smartphone gemacht. Das Thema Sicherheit ist schon beim herkömmlichen Online Banking vom heimischen PC aus nicht ganz unkritisch. Ich kenne einige sehr IT-versierte Menschen, die für das Online Banking entweder einen separaten Computer nutzen oder zumindest eine eigene Betriebssysteminstallation, um Viren und Hackerangriffen keine allzu offene Flanke zu geben. Auf dem Smartphone wird das ganze noch ein wenig heikler. Es fängt damit an, dass man sich damit gerne mal in öffentlichen WLAN-Netzen bewegt, geht weiter mit den kaum zu überschauenden App-Berechtigungen auf dem Telefon und hört noch lange nicht damit auf, dass man das Handy gerne mal verliert.

Mein Hauptkonto würde ich Number26 daher sicher nicht anvertrauen (dafür ist die Produktpalette auch eh noch viel zu schmal). Aber als Zweitkonto mit kostenlosen Auslandszahlungen und einem Blick in das Banking der Zukunft werd ich das ganze auf jeden Fall weiter beobachten. Stay tuned!

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