Jahresrückblick 2022

Ok, wow, der letzte Artikel im Blog war der Jahresrückblick 2021, scheint wohl nicht so viel passiert zu sein im letzten Jahr 😉 Dennoch höchste Zeit für einen neuen Jahresrückblick.

Was ist also die letzten zwölf Monate gelaufen in der Finanzwelt? Zunächst einmal: Endlich scheint der Crash da zu sein, auf den ich seit seit Anbeginn dieses Blogs warte. Zumindest wenn man den Katastrophenmeldungen in der Finanzpresse glauben darf. Wenn man schon etwas länger dabei ist, sieht das Bild allerdings (noch) gar nicht so düster aus. Klar, Hypeaktien wie Peloton, Coinbase oder Zoom sind um teilweise mehr als 90% abgestürzt. Allerdings waren diese Aktien vorher auch komplett außer Rand und Band gelaufen, was die Bewertung anging, und das bei in der Regel negativen Cashflows und wackeligen Geschäftsmodellen. Und selbst nach dem Absturz von über 90 Prozent ist beispielsweise Coinbase immer noch mit über 8 Milliarden Dollar bewertet, nicht viel weniger als die Commerzbank, die doppelt soviel Umsatz macht und dabei sogar Gewinn.

Big picture

Aber auch bei den großen Tech-Werten ging es vom Allzeithoch kräftig runter: Microsoft, Facebook, Apple, alle haben satt zweistellig verloren. Doch auch hier sieht es bei näherem Hinsehen nicht nach einer Katastrophe aus, eher nach einem Zurückfallen auf die Normallinie. Schauen wir uns zum Beispiel mal Microsoft an: Nach dem gestrigen Kursrutsch steht die Aktie bei 229$, was gut ein Drittel weniger ist als das Allzeithoch von 335$.

Microsoft Langzeitchart

Auf dem langfristigen Kurschart sieht das gar nicht mal so übel aus und die Aktie bewegt sich durchaus noch in einem langfristigen Aufwärtstrend. Und steht beispielsweise fast 70 (!) Prozent höher als im Corona Crash Anfang 2020. Es ist also noch eine Menge Luft nach unten.

Relativitätstheorie

Das zweite große Thema des Jahres war natürlich die Inflation, die viele Gold Bugs und Bitcoin Bros zwar auch schon seit Jahren erwartet haben, die dann aber in der Geschwindigkeit und Heftigkeit so viele wohl nicht auf dem Zettel hatten. Den offiziellen Zahlen von acht bis neun Prozent steht die gefühlte Inflation entgegen, die beim Bäcker und im Supermarkt eher bei 30 bis 50 Prozent liegt. Einziger Lichtblick: Die Rückkehr der Guthabenzinsen. Natürlich sind zwei Prozent Guthabenzinsen bei neun Prozent Inflation ein schlechtes Geschäft. Aber noch schlechter wären null Prozent Zinsen, alles ist relativ.

So, genug Makroökonomie, schauen wir uns mal an wie das Jahr konkret für mich gelaufen ist:

Einzelwerte

Nachdem ich 2021 keine Einzelaktien gekauft habe, war ich 2022 vergleichsweise aktiv: Erster Kauf war gleich im Januar Biontech. Der Corona-Gewinner war vom Allzeithoch deutlich zurückgekommen und in meinen Augen fundamental auf einem sehr attraktiven Niveau angekommen, selbst wenn die Megagewinne durch den Covid-Impfstoff deutlich zurückgehen. Die Pipeline mit vielversprechenden Krebstherapien ist gut gefüllt, und bis die irgendwann Geld abwerfen sorgt das Impfstoffgeschäft für den nötigen Cashflow. Leider war ich mit dem Kauf etwas zu früh dran, der Kurs hatte sich von 195 Euro zwischenzeitlich nochmal fast halbiert. Derzeit steht die Position noch knapp 30 Prozent unter Wasser. Wenn es weiter zurückgeht, werde ich vermutlich nochmal nachlegen.

Durch die plötzlich anspringende Inflation war ich dann im Frühjahr mit der Frage beschäftigt, wie ich mich dagegen absichern oder weiter diversifizieren kann. Eine Anlageklasse, in der ich bislang gänzlich unterbelichtet war, sind Immobilien. Und die sind ein bombensicherer Hedge gegen Inflation, das weiss ja jedes Kind… Da ich selber nicht Bauunternehmer oder Vermieter werden wollte, habe ich bei DIC Asset zugeschlagen, einer Immobilienaktie die ich schon länger auf dem Radar hatte: konservatives Portfolio aus Gewerbeimmobilien, attraktive Dividende, und, so dachte ich, günstige Bewertung in Relation zum Immobilienbestand. Nicht bedacht hatte ich, dass mit steigender Inflation auch die Zinsen kräftig anziehen, und damit den kompletten Immobilienmarkt unter Druck setzen. Die DIC Aktie ist dabei kräftig unter die Räder gekommen, und meine Position ist, trotz Nachkauf zu günstigeren Kursen, immer noch tiefrot. Dennoch (oder gerade deswegen), überlege ich, hier nochmal nachzulegen, die Aktie scheint einen Boden erreicht zu haben.

Wo viel Schatten ist, ist auch etwas Licht: Mein dritter Kauf war im April der Streamingkönig Netflix. Hier habe ich es tatsächlich mal geschafft, zum Tiefpunkt einzusteigen (zumindest aus heutiger Sicht). Der Kurs war komplett ausgebombt und hatte sich vom Allzeithoch mehr als gedrittelt, weil zum ersten Mal die Zahl der Abonnenten zurückging, und die Wachstumsstory damit scheinbar vorbei war. Mächtige Konkurrenten wie Disney, Amazon und Apple drohten, dem Platzhirsch Netflix das Wasser abzugraben, und Disney hat es (mit einigen Rechentricks) zwischenzeitlich sogar geschafft, einen höheren Abonnentenstamm zu erreichen als Netflix.

Ich sehe die Zukunft von Netflix deutlich positiver: Man hat eine starke Marke, einen riesigen regelmäßigen Cashflow, und ist im Gegensatz zum Wettbewerb wirklich global aufgestellt, nicht nur mit US-Massenware, sondern mit lokalen Produktionen aus Spanien, Deutschland, Korea, etc., die weltweit erfolgreich vermarktet werden. Die Konkurrenz gewinnt zwar Marktanteile, aber nur durch massive Investitionen und Dumpingpreise die auf Dauer nicht tragfähig sind. Disney beispielsweise verschenkt in Deutschland immer mal wieder Jahresabonnements im großen Stil. Damit kann man zwar schnell hohe Abonnentenzahlen vorweisen, aber kein Geld verdienen. Netflix hingegen hat einige Stellschrauben, mit denen das Geschäft schnell deutlich lukrativer werden kann, z.B. durch Zurückfahren der immensen Produktionsbudgets, oder durch Einführung werbefinanzierter Abos. Und während es durch die Konkurrenz schwieriger wird, fremde Film- oder Serienlizenzen zu erwerben, schafft es Netflix in schöner Regelmäßigkeit, mit neuen Eigenproduktionen weltweit erfolgreich zu sein, von Haus des Geldes über Squid Game bis zu Wednesday.

Meine Netflix Position steht aktuell satte 60 Prozent im plus, und auch hier überlege ich, nochmal aufzustocken.

Beste Aktie 2022

Neben Neuzugang Netflix, der ganz hervorragend performt hat, ist aus den Bestandsaktien ein eher überraschender Gewinner dabei: Die Commerzbank hat sich 2022 mit fast 30 Prozent plus dem allgemeinen Markttrend erfolgreich widersetzt. Allerdings bin ich bei Commerzbank schon länger mit weit höheren Einstiegspreisen dabei, so dass das Drittel Kurssteigerung im letzen Jahr leider nur einen Rundungsfehler im gesamten Depot ausmacht.

Schlechteste Aktie 2021

Die rote Laterne für die schlechteste Performance bleibt wo sie auch schon 2021 war: Fresenius Medical Care hat nach 18% Minus im vorletzten Jahr 2022 nochmal über 46% nachgegeben, für einen DAX Wert eine desaströse Entwicklung. Neben den Auswirkungen durch die Coronapandemie auf das Dialysegeschäft haben die Bad Homburger vor allem mit der Inflation zu kämpfen. Von den Gesundheitsträgern bekommt man feste Erstattungssätze für die Patientenversorgung, während die Kosten inflationsbedingt durch die Decke gehen. Da bleibt am Ende nicht mehr viel Marge hängen. Ein weiterer Negativrekord: Die neue Vorstandsvorsitzende Carla Kriwet, die das Ruder rumreissen sollte, hat ganze zwei Monate durchgehalten, bevor sie ihren Posten wieder abgeben musste. 2023 wird es bei FMC mit Sicherheit große Veränderungen geben. Michael Sen, der neue Vorstand der Muttergesellschaft Fresenius, ist angetreten, um den DoppelDAX-Konzern komplett umzubauen. Mal schauen, was das für den Aktienkurs bringen wird.

Indexfonds

Auch dieses Jahr habe ich außer dem Wertpapiersparplan auf den Stoxx Europe 600, der das ganze Jahr über durch lief, mein ETF Portfolio nicht erweitert. Ich würde gerne meinen US-Anteil deutlich ausbauen mit einem S&P 500 Indexfonds  – das Bewertungsniveau ist mir in den USA aber trotz der aktuellen Kursrückgänge immer noch zu hoch. Zumindest steigt der Euro seit einiger Zeit wieder, was die Bewertungen aus europäischer Sicht auch etwas attraktiver macht.

Zu den Dividendenrenditen der Indexfonds wird es in den kommenden Tagen noch eine detaillierte Jahresendauswertung geben.

Festgeld und Tagesgeld

Durch die drastische Anhebung der Leitzinsen sind auch die Guthabenzinsen endlich in Bewegung gekommen. Ich würde derzeit Geld nicht länger als zwölf Monate anlegen, weil die Zinsen dieses Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit noch weiter steigen. Für 1-Jahres-Festgeld erhält man mittlerweile bei der akf Bank und der pbb direkt 2,2 bwz. 2,25 Prozent Zinsen, bei deutscher Einlagensicherung. Das ist im Vergleich zu neun Prozent Inflation zwar immer noch nicht toll, aber besser als nichts. Selbst für Tagesgeld gibt es wieder etwas: Ich habe ein neues Konto bei der „Meine Bank“ eröffnet, das für die ersten vier Monate 1,5 Prozent Zinsen zahlt. Mal sehen, wie sich die Konditionen nach der Anlockphase entwickeln, aber bis dahin ist das Zinsniveau vermutlich generell noch weiter gestiegen. Hinter Meine Bank steckt übrigens die beschauliche Raiffeisenbank Hochtaunus aus Bad Homburg, ein Nachbar von Fresenius Medical Care sozusagen. Hoffen wir mal, dass die Performance bei den Genossen besser ist als bei Fresenius.

Gesamtperformance

Mein Net Worth ist 2022 um knapp ein Prozent gestiegen. Angesichts der Talfahrt sämtlicher Börsen ist das immer noch ein okayes Ergebnis, das ich natürlich vor allem durch zusätzlich angespartes Geld erreicht habe. Wenn man die Inflation berücksichtigt, hat mein Vermögen allerdings real um einige Prozent abgenommen. Überhaupt geht es durch die Inflation das erste Mal seit Jahren nicht mehr darum, Vermögen aufzubauen, sondern eher um die Frage, wie man das Erreichte halbwegs absichern kann gegen den drohenden Wohlstandsverlust, der die gesamte Gesellschaft gerade erfasst.

Ich bin mitterweile vorsichtig optimistisch, dass die EZB auf dem richtigen Weg ist, nachdem sie das Problem anfänglich lange ignoriert hat. Weitere Leitzinsanhebungen werden die Inflation im Laufe des neuen Jahres wohl auf ein erträgliches Maß zurückführen. Allerdings bedeutet das für den Aktienmarkt kurzfristig nichts gutes, steigende Zinsen führen fast zwangsläufig zu weiter sinkenden Kursen. Aber einen Tod muss man sterben, und eine aus dem Ruder laufende Inflation hätte noch ganz andere Konsequenzen als eine leichte Rezession und ein paar Jahre Bärenmarkt an der Börse.

Blog

Neues gab es von mir nur auf Twitter, im Blog hingegen kein einziger neuer Artikel, vom Jahresrückblick mal abgesehen. Da geht 2023 auf jeden Fall mehr, zumindest ist das der gute Vorsatz fürs neue Jahr.

Allen Lesern vielen Dank für die Aufmerksamkeit, und für 2023 Glück, Gesundheit und reichlich Zinsen und Dividenden!

ETF Renditen – Halbjahresedition 2021

Nach sechs Monaten mal wieder eine aktualisierte Übersicht der Dividendenrenditen von Vanguard Indexfonds. Vanguard hat auf der Internetseite für Privatanleger scheinbar die Ausschüttungshistorie gelöscht und weist nur noch die letzte Ausschüttung aus. Aber da ich mich beim Investieren immer sehr professionell verhalte, hab ich die Daten jetzt mal schamlos von der Seite für Profis entnommen, da findet man noch alle Ausschüttungen der letzten Jahre.

Wie immer geht es darum ein Gefühl dafür zu bekommen, wie mein Geld verzinst wird, auch wenn Dividenden strenggenommen keinen Zinsen sind. Die Berechnungsgrundlage hatte ich hier im Detail erläutert – zur Erinnerung:

  • Alle Ausschüttungen der letzten 12 Monate werden addiert
  • Die Ausschüttungen ergeben im Verhältnis zum aktuellen Kurs des ETF die prozentuale Rendite
  • In Dollar aufgeführte Ausschüttungen werden zum historischen Kurs in Euro umgerechnet.

Neben den großen Vanguard Fonds sind zum Vergleich auch ein iShares und ein DWS ETF in der Liste, weil ich in beide investiert bin.

Schauen wir auf die Ergebnisse zum Stichtag 30. Juni 2021:

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ETF Dividendenrenditen – Jahresendedition 2020

Zum Jahreswechsel wieder ein kalenderjährlicher Blick auf die Dividendenrenditen von Vanguard Indexfonds. Mittlerweile habe ich die Daten der zurückliegenden drei Jahre in meiner Auswertung, so dass wir uns auch den Verlauf der Renditen über die letzten Jahre anschauen können.

Ziel ist, auf Basis der zurückliegenden Ausschüttungen ein Gefühl dafür zu bekommen, wie mein Geld verzinst wird. Dividenden sind zwar keinen Zinsen, daher gibt es auch keinen Anspruch darauf, dass die Ausschüttungen in Zukunft so hoch bleiben. Zum Vergleich der Indexfonds untereinander ist die Kennzahl aber durchaus hilfreich.

Die Berechnungsgrundlage hatte ich hier im Detail erläutert – zur Erinnerung:

  • Alle Ausschüttungen der letzten 12 Monate werden addiert
  • Die Ausschüttungen ergeben im Verhältnis zum aktuellen Kurs des ETF die prozentuale Rendite
  • In Dollar aufgeführte Ausschüttungen werden zum historischen Kurs in Euro umgerechnet.

Neben den großen Vanguard Fonds sind zum Vergleich auch ein iShares und ein DWS ETF in der Liste, weil ich in beide investiert bin.

Zum Jahreswechsel lässt sich die Entwicklung der Performance auf Jahresbasis gut vergleichen. Schauen wir also mal auf die Ergebnisse zum Stichtag 31. Dezember 2020:

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Nachkauf: Walgreens Boots Alliance

Wertpapier Kauf

Wenn man eines beim Lesen dieses Blogs feststellen kann, dann dass ich aus Erfahrung nicht klug werde. Eigentlich predige ich ja hier schon seit jeher das Loblied auf passives Investieren mit Indexfonds. Dennoch kann ich es nicht lassen, ab und zu doch mal wieder einen vielversprechenden Einzeltitel zu kaufen, weil ich vermeintlich schlauer bin als der Markt. Und dann rückblickend feststelle, dass ein simpler ETF All World deutlich mehr Rendite gebracht hätte.

Letztes Jahr war das Einzelinvestment Walgreens Boots Alliance, ein sogenannter Dividendenaristokrat, der seit Jahrzehnten zuverlässig eine stetig steigende Dividende zahlt. Der Kurs war unverständlicherweise auf einem Tiefpunkt, da hieß es zuschlagen. Mit dem Kauf hatte ich scheinbar ein glückliches Händchen, denn der Kurs schnellte bis Jahresende um 13 Prozent nach oben, die Dividende wurde pünktlich gezahlt, und zusätzlich winkte eine lukrative Übernahme durch einen Finanzinvestor.

Enter Corona

2020 kam dann aber der Covid-19 Einbruch auf den Märkten. Eigentlich wären Pandemiezeiten für einen Gesundheits- und Nahversorger wie Walgreens gar nicht so schlecht: Neben Medikamenten und Desinfektionsmitteln bekommt man bei Walgreens in den USA nämlich auch Klopapier, Dosensuppen und alles andere was man für die Quarantänevorbereitung benötigt. Der Umsatz ist im zurückliegenden Geschäftsjahr tatsächlich auch leicht gestiegen, dennoch hatte man insgesamt einen saftigen Verlust zu verbuchen. Insbesondere das Geschäft in Großbritannien unter der Marke Boots läuft wohl nicht rund, und man reagiert mit Jobabbau und Filialschließungen.

Der Aktienkurs ist entsprechen unter die Räder gekommen, und hat sich im Gegensatz zum Gesamtmarkt bislang auch nicht wieder erholt. Ganz im Gegenteil, nach Bekanntgabe der Bilanzzahlen in der letzten Woche stürzte die Aktien nochmal um in der Spitze bis zu 10 Prozent ab. Für mich der Zeitpunkt, nochmal kräftig nachzukaufen. Im Vergleich zum Einstandskurs von 2019 waren die Anteile jetzt über ein Viertel günstiger. Das muss nicht heissen, dass es nicht noch weiter nach unten gehen kann, aber für den Moment war das erstmal ein guter Einstiegspunkt, der Kurs hat sich seitdem wieder leicht erholt.

Diese kurzfristigen Schwankungen sind aber ziemlich irrelevant, mir geht es darum, wie das Investment in fünf oder zehn Jahren da steht. Und hier glaube ich weiterhin, dass das Thema Gesundheitsversorgung langfristig lukrativ und krisensicher ist.  Das reine Retailgeschäft des Verteilens von Arzneimitteln mag zukünftig immer mehr durch Konkurrenz von Onlinehändlern wie Amazon unter Druck geraten. Aber abgesehen davon, dass Walgreens natürlich auch selber schon länger im Onlineversand aktiv ist, nutzt man den Vorteil des landesweiten eigenen Filialnetzes indem man die eigenen Märkte in Richtung Gesundheitsversorgung ausbaut.

Dorfdoktor

Durch die Übernahme von VillageMD hat Walgreens zukünftig neben dem Drogeriemarkt gleich eine Hausarztversorgung im gleichen Haus. Das Rezept das der Arzt dort ausstellt, kann dann nebenan gleich eingelöst werden. Konkurrent CVS, bei dem ich ebenfalls Aktionär bin, geht da schon länger einen ähnlichen Weg, mit den eigenen „Minute Clinics“. Vor dem Hintergrund der in den USA ins absurde steigende Kosten für Krankenversicherung und Gesundheitsversorgung wird so eine vergleichsweise preisgünstige standardisierte Basisversorgung für immer breitere Bevölkerungsgruppen wichtig, und sollte sich daher auch für Walgreens rechnen.

Kauf dich nicht selbst

Die Dividende scheint trotz des verlustreichen zurückliegenden Geschäftsjahres erstmal weiter sicher zu sein, man hebt die Ausschüttung sogar weiter an, um den Titel des Dividendenaristokraten nicht zu verlieren. Nur den Aktienrückkauf hat man erstmal eingestellt, was ich aber auch eher begrüße: Firmengeld in den Kauf eigener Aktien zu stecken ist für mich so ziemlich das unsinnigste, was ein Unternehmen machen kann, auch wenn der Rückkauf durch steigende Kurse den Aktionären zugute kommen soll. Wenn ein Unternehmen mit dem verdienten Geld nichts anzufangen weiss, soll es das Geld schlicht an die Eigentümer ausschütten – genau dafür sind Dividenden ja da  – und nicht nicht mit eigenen Aktien spekulieren. Sieht man sich den Kurschart von Walgreens an, war der Rückkauf der eigenen Aktien in den letzten Jahren nichts anderes als eine große Geldverbrennungsmaschine. Das Spekulieren mit Aktien bekomme ich schon selber nicht hin, da sollte dann bitte Walgreens auch die Finger von lassen.

 

Disclaimer:

Die Inhalte dieser Website stellen keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sämtliche Aussagen und Einschätzungen basieren auf der persönlichen Meinung des Autors und sind explizit keine Anlageberatung.

Aktuelle Dividendenrenditen von Indexfonds im 1. Halbjahr 2020

Reichsmark Scheine

Nach einem halben Jahr und einer weltweiten Pandemie mal wieder ein Blick auf die aktuellen Dividendenrenditen von Indexfonds. Die letzten sechs Monate waren bestimmt vom Corona-Crash und schnellem Rebound, der die Kurse mittlerweile fast schon wieder Vor-Pandemie-Stände gebracht hat.

Wärend die Kurse also wieder auf Ursprungsniveau sind, bleibt es spannend, wie sich die Krise auf die Dividendenzahlungen der Unternehmen ausgewirkt hat. Da Dividenden immer für das zurückliegende Geschäftsjahr gezahlt werden, müssten die Auswirkungen theoretisch bislang noch sehr begrenzt sein. In 2019 wurde allgemein noch gut verdient, der große Coronaeinbruch in den Bilanzen kam mit dem zurückliegenden Quartal, und wird erst mit dem laufenden Geschäftsjahr voll auf die Zahlen durchschlagen. Dennoch haben viele Firmen vorausschauend die Reißleine gezogen und Dividenden gekürzt oder gestrichen, denn das Geld werden viele Unternehmen in von Corona betroffenen Branchen wie Touristik oder Entertainment fürs nackte Überleben benötigen.

Wie sich die Dividendenrendite von ETFs berechnet, hatte ich hier im Detail erläutert – zusammengefasst:

  • Alle Ausschüttungen der letzten 12 Monate, gerechnet ab heute, werden addiert
  • Die addierten Ausschüttungen ergeben im Verhältnis zum aktuellen Kurs des ETF die prozentuale Rendite
  • Gewertet wird das Ex-Dividend Date, nicht der meist spätere Zeitpunkt der Auszahlung
  • Ausschüttungsbeträge sind direkt von den Anbieter-Websites übernommen
  • In Dollar aufgeführte Ausschüttungen werden zum historischen Kurs in Euro umgerechnet.

Neben den wichtigsten Vanguard Fonds sind zum Vergleich der beliebte iShares Stoxx Europe 600 sowie der DWS xTrackers Euro Stoxx 50 mit aufgenommen.

Betrachtet werden die letzten 12 Monate, sowie zum Vergleich die 12-Monatsperiode davor. Da die Dividendenzahlungen über das Jahr nicht gleich verteilt sind, macht ein Vergleich nur Sinn über denselben Zeitraum (hier also Juli bis Juni). Die Werte für das Kalenderjahr 2019 (Januar bis Dezember) sind daher nur als Referenz mit aufgeführt und eignen sich nicht zum direkten Vergleich.

Schauen wir also mal auf die Ergebnisse zum Stichtag 30. Juni 2020:

30.06.2020 Ticker Kurs (EUR) Ausschüttung Rendite Vorjahr Rendite Kalenderjahr Rendite
07/19-06/20 07/18-06/19 2019
Vanguard FTSE AllWorld fra:vgwl 79,00 € 1,36 € 1,72% 1,60 € 2,02% 1,56 € 1,98%
Vanguard FTSE Developed World fra:vgve 58,55 € 1,02 € 1,74% 1,19 € 2,02% 1,16 € 1,98%
Vanguard FTSE Developed Europe fra:vgeu 28,76 € 0,67 € 2,33% 1,04 € 3,62% 1,05 € 3,65%
Vanguard S&P 500 fra:vusa 53,33 € 0,83 € 1,55% 0,78 € 1,47% 0,80 € 1,49%
Vanguard FTSE Dev. Asia Pac. ex Jp fra:vgej 20,99 € 0,62 € 2,93% 0,76 € 3,62% 0,76 € 3,62%
Vanguard FTSE Japan fra:vjpn 26,18 € 0,51 € 1,95% 0,48 € 1,81% 0,51 € 1,93%
Vanguard FTSE Emerging Markets fra:vfem 51,22 € 1,13 € 2,21% 1,35 € 2,64% 1,28 € 2,49%
iShares STOXX Europe 600 fra:exsa 36,63 € 0,98 € 2,69% 1,40 € 3,83% 1,18 € 3,23%
DWS xTrackers Euro Stoxx 50 fra:dbxe 35,25 € 1,10 € 3,13% 0,95 € 2,70% 0,95 € 2,70%

Erste Bremsspuren

Schaut man auf den marktbreiten Vanguard FTSE AllWorld, sind die Dividendenrenditen bereits spürbar um 0,3 Prozentpunkte zurückgegangen, auf jetzt rund 1,7 Prozent. Der Rückgang ist aber erstaunlich uneinheitlich: Am heftigsten sind die Einbrüche in Europa: Beim Vanguard Developed Europe sind nur noch 2,3% statt 3,6% ausgezahlt worden, ganz ähnlich das Bild beim iShares STOXX Europe 600. Amerika scheint hingegen fast unberührt durch die Turbulenzen der letzten Monate gekommen zu sein: der Vanguard S&P 500 hat sogar leicht mehr ausgeschüttet als in der Vorperiode. Auch für Japan sind die Ausschüttungen sogar leicht gestiegen, während in Asien außerhalb Japans ein deutlicher Rückgang um 0,7 Prozent zu verbuchen ist.

Abgerechnet wird am Schluß

Zur Erklärung muss man berücksichtigen, dass gerade Europa viele Firmen ihre Bilanzkonferenzen wegen Corona verschoben haben, und damit auch die Dividendenzahlungen dieses Jahr später kommen. Diese fehlen also in der aktuellen 12-Monats-Betrachtung. Beispielsweise wäre für Dividendenkönig Daimler die Auszahlung üblicherweise bereits im April erfolgt, jetzt wird sie für den laufenden Monat erwartet (wenn auch mit dramatischer Kürzung), und ist in der aktuellen Auswertung noch nicht enthalten. Bei amerikanischen Firmen, die üblicherweise quartalsweise ausschütten, ist dieser Effekt nicht so einschneidend, was die starken regionalen Unterschiede erklärt.

Ein verlässliches Bild werden wir wohl erst am Jahresende haben, bis dahin sollten auch in Europa alle Bilanzkonferenzen nachgeholt und alle Ausschüttungen erfolgt sein.

iShares holt auf

Während ich in der letzten Auswertung festgestellt hatte, dass der Vanguard Developed Europe konsequent eine merklich höhere Ausschüttung hatte als der vergleichbare iShares STOXX Europe 600, hat sich der Effekt für die hier betrachtete Periode umgekehrt: Sowohl für die letzten 12 Monate als auch für die Periode davor liegt der iShares ETF spürbar vor dem Vanguard Fonds. Die Unterschiede liegen also wohl eher an den unterschiedlichen Ausschüttungsterminen als an fundamental besserer oder schlechterer Performance. Alles andere wäre auch sehr ungewöhnlich, die Fonds setzen zwar auf unterschiedliche Indizes (MSCI vs. FTSE), sind aber in ihrer Zusammensetzung sehr ähnlich.

Ausblick

Wenn der Rebound so weitergeht, die Kurse also weiter steigen, gleichzeitig aber reihenweise Unternehmen ihre Ausschüttungen zusammenstreichen, geraten die Dividendenrenditen gleich doppelt unter Druck. Denn die Rendite drückt ja das Verhältnis zwischen (steigendem) Kurs und (fallender) Dividende aus. Falls also bis Jahresende nicht noch ein dramatischer Kurseinbruch an den Weltmärkten kommt, werden wir uns vermutlich der Ein-Prozentmarkte für den AllWorld Index deutlich nähern. Immer noch besser als das Null-Prozent-Sparbuch, aber reich wird man damit nicht mehr.

Jetzt einsteigen oder Puts kaufen?

Mit meiner letzten Prognose lag ich ziemlich richtig: Der Crash ist noch nicht vorbei, die auf heftige Absturztage folgenden rapiden Aufwärtsbewegungen sind immer nur von kurzer Dauer, bis es dann wieder weiter nach unten geht. Im Englischen gibt es für diese kurzzeitigen Aufwärtsbewegungen die schöne Bezeichnung „sucker rally“. Das wird auch noch einige Zeit so weitergehen.

The best worst is yet to come

Ich bin mir mittlerweile sehr sicher, dass wir das schlimmste noch nicht gesehen haben. Vor allem nicht in den USA. In Deutschland und Europa wird nach anfänglichem Zögern mittlerweile sehr konsequent gehandelt, was die Pandemiemaßnahmen angeht. Und die Börsenkurse in Europa sind, obwohl die Fallhöhe im Vergleich zu den USA eh schon deutlich geringer war, mittlerweile auf einem auch in absoluten Zahlen sehr niedrigen Niveau angelangt.

Dem Kurs-Gewinnverhältnis oder der Dividendenrendite sollte man hier keine große Aufmerksamkeit widmen, da die Unternehmen in den nächsten Monaten reihenweise nach ihre Gewinnprognosen streichen werden. Aber unabhängig davon bekommt man den DAX mittlerweile zum Buchwert, was so häufig in der Geschichte noch nicht vorgekommen ist. Der DAX-Kursindex (also ohne Dividenden) ist auf den Stand von vor zehn Jahren angekommen. Das heißt nicht, dass es nicht auch hier nochmal weiter runter gehen kann, aber es ist schon einiges an negativer Entwicklung in den Kursen vorweggenommen.

Ganz anders in den USA: Dort wird erst seit ein paar Tagen so richtig realisiert, welche Auswirkungen das Coronavirus hat. Mittlerweile gibt es auch hier punktuell Ausgangssperren und ähnliche Maßnahmen, aber diese kamen in bezug auf die Infektionszahlen deutlich später als in Europa, und zumindest in der Fläche noch nicht konsequent genug umgesetzt. Was bei einer exponentiellen Entwicklung einer Pandemie sehr schnell einen sehr dramatischen Unterschied machen kann. Alleine in New York gibt es mittlerweile mehr Infizierte als in ganz Frankreich. Die Börsenkurse sind zwar auch in den USA stark gefallen, aber von einem viel höheren Bewertungsniveau, und auch noch nicht so stark wie in Europa. Hier ist also noch sehr viel Luft nach unten.

Puttin‘ on the Dow

Ich habe tatsächlich das erste Mal in meiner Anlegerkarriere überlegt, Optionen zu kaufen, genauer gesagt Put Optionen auf den S&P500 oder wahlweise den Dow. Was mich vor allem davon abhält ist die Tatsache, dass ich von Optionen keine Ahnung habe. Und dass mir als Langfristanleger ein kurzfristiger Tradinggewinn nur bedingt etwas bringt. Abgesehen davon ist es kaum vorherzusagen, wie tief es noch runtergehen wird. Die Trump-Administration wird alles daran setzen, dass die Börse nicht komplett abstürzt, um Trumps Wiederwahl nicht zu gefährden. Und mit ein paarhundert Milliarden US-Dollar Steuergeld kann den Absturz sicher etwas abfedern.

Und irgendwann muss man als Langfristanleger dann ja auch (wieder) einsteigen. Ich hab mir ein mentales Limit gesetzt, ab dem ich erste Positionen beim S&P 500 aufbauen werde. Das ist gar nicht mal so weit vom heutigen Kursstand des S&P 500 entfernt. Der Einstiegszeitpunkt wird vermutlich zu früh sein. Aber selbst wenn wir jetzt erst die Hälfte des Absturzes hinter uns haben, wäre das mit ein paar Nachkäufen zu tieferen Ständen dann keine so schlechte Ausgangsbasis. Denn irgendwann geht’s auch wieder nach oben. Ob das schon dieses Jahr der Fall ist, oder erst nach ein paar Jahren Bärenmarkt, spielt für mich keine so große Rolle.

Ist das jetzt schon der Crash?

Nachdem heutigen Blutbad sind die Börsen weltweit jetzt auch offiziell im „Bärenmarkt“ angekommen, was per Definition ein Rückgang von mehr als zwanzig Prozent vom Höchststand bedeutet. War das jetzt schon der Crash? Oder steht uns das schlimmste noch bevor?

Zu viele Optimisten

Wenn ich als Referenz die beiden anderen großen Börsencrashs heranziehe, die ich selber erlebt habe – die DotCom-Krise um die Jahrtausendwende und die Finanzkrise 2008 – sind wir noch ganz am Anfang der Crashphase. Und zwar gar nicht mal aufgrund der drohenden Corona-Effekte auf die Realwirtschaft. Sondern schlicht, weil immer noch viel zu viele Anleger auf den Wiedereinstieg warten, damit die Kursrally der letzten Jahre weitergehen kann.

Als der Dow Jones am Montag um über 2.000 Punkte abstürzte, rief das am nächsten Tag sofort die Schnäppchenjäger auf den Plan, die den Index direkt wieder um 1.200 Punkte in die Höhe schießen ließen. Niemand will im Moment die Kaufgelegenheiten verpassen, die sich scheinbar bieten. Es würde mich nicht wundern, wenn nach dem heutigen Mini-Crash auch erstmal wieder eine heftige Gegenreaktion erfolgt.

Salamitaktik

Das war in früheren Crashphasen auch so: Es geht nicht in einem Rutsch runter, sondern zwischendurch immer wieder rasant bergauf, weil vermeintliche Kaufgelegenheiten locken, und niemand die Trendwende nach oben verpassen will. Und wenn es dann ein paar Tage später doch wieder weiter runtergeht, kommen die nächsten Käufer, die sich billig eindecken wollen.

Der Tiefpunkt ist erst dann erreicht, wenn es einen regelrechten Käuferstreik gibt, weil sich alle mehrfach die Finger beim zu frühen Wiedereinstieg verbrannt haben. Die Stimmung muss schon komplett im Keller sein, bevor es dann wieder wirklich nachhaltig aufwärts gehen kann. Davon sind wir aber noch weit entfernt.

Das merke ich auch an mir selber: Mir juckt es bei Kursständen von 9 Euro für eine Lufthansa-Aktie schon wieder in den Fingern. Obwohl klar ist, dass 2020 für Airlines rabenschwarzes Jahr wird, und die Coronapanik für viele Unternehmen in der Touristikbranche existenzbedrohend wird.

Auch mit Blick auf die historischen Kennzahlen sind wir von niedrigen Bewertungsständen noch meilenweit entfernt. Zumindest die US-Werte sind immer noch auf schwindelerregendem Niveau. Eine Microsoft, die in den letzten Tagen um ein Viertel eingebrochen ist, steht auf Jahressicht immer noch um über ein Drittel im Plus. Und das Kurs/Gewinnverhältnis ist mit über 27 auch nicht gerade als Schnäppchen zu bezeichnen. Gleiches Bild bei Schwergewicht Apple: Auf Jahressicht ist die Aktie immer noch fünfzig Prozent im Plus, das KGV liegt auch noch bei über 20. Und diese Kurs/Gewinnverhältnisse haben den Einbruch der Firmengewinne, den wir in den nächsten Monaten coronabedingt sehen werden, noch gar nicht eingerechnet.

Bärenjahre

Es ist also noch einiges an Luft in den Kursen. Ob es noch weitere 20, 30 oder 50 Prozent runtergeht, kann niemand vorhersagen. Und den Tiefpunkt zum Einstieg zu erwischen, ist eh unrealistisch. Daher halte ich es für durchaus ok, schon jetzt langsam wieder in den Markt einzusteigen, wenn man langfristig investiert bleiben will. Aber nur in kleinen Schritten, denn die Kaufgelegenheiten von heute können die Mondpreise von morgen sein. Und so ein Bärenmarkt kann sich, genau wie die zurückliegende neunjährige Hausse, auch mal über Jahre hinziehen.